Freudestrahlend und bester Dinge gehe ich zu meiner Lieblingsbank. Jene Art von Bank, bei der man nicht sitzt, sondern steht und zwar am Schalter, davor und meist auch dahinter – letzteres zumindest in körperlicher Hinsicht.
Kaum betrete ich den Schalterraum – viel ist nicht los – bittet mich eine freundlich dreinblickende, halbwegs junge Dame, mit der Frage: „Kommen Sie zu mir?“ an ihren Stehschalter.
Mit bleibender Zuversicht und freudigem Gesichtsausdruck komme ich ihrer Frage nach.
Dreihundert Euro schönsten Bargelds befinden sich in meiner Börse – die Art von Börse, in die man Geld einlegt, nicht anlegt oder die Art von Börse, die man besitzt und nicht umgekehrt, aber das ist eine andere Geschichte.
Sogleich macht sie mir mit der Frage „Grüß Gott; was kann ich für sie tun?“, nun ein Angebot mit dem ich nicht gerechnet habe, was meine unzureichende Vorbereitung auf diese Situation beweist.
Aus Perplexität, Unflexibilität oder schierer Sturheit, sage ich einfach was ich mir vorgenommen habe. Dies tue ich nicht ohne Bedauern darüber, Ihr lieb gemeintes Angebot damit zu übergehen.
„Ich möchte in diesen für sie schwierigen Zeiten ein Zeichen setzen“ verkünde ich feierlich „und Ihnen, als meiner Bank, heute mein Vertrauen beweisen.“ Ihr Gesicht wirkt etwas regungslos, vielleicht leicht irritiert, aber in seiner Grundstimmung unbedingt freundlich. „Ich möchte dreihundert Euro auf mein Konto ‚ein’zahlen.“ fahre ich fort und das letzte Wort lasse ich uns dabei auf der Zunge zergehen, denn hierin konzentriert sich die ganze Feierlichkeit und Besonderheit meines Besuchs.
Nun lebt sie wieder auf, gewinnt ihre gesamte Sicherheit zurück, strahlt wie ein Honigkuchenpony. Sie scheint genau zu wissen, was sie jetzt zu tun hat. Sie fragt mich nach meiner Kontonummer, die ich ihr bereitwillig und auswendig aufsage, denn darauf war ich gefasst. Sofort beginnt sie auf ihrer Tastatur zu tippen und beobachtet gebannt den Bildschirm, der linker Hand an ihrem Stehschalter angebracht ist. Ganz zufrieden stellen konnte ich sie mit meiner Merkleistung offenbar nicht, denn sie stellt weitere Erkundigungen bei mir an:
„Wie ist denn ihre Adresse und ihr Geburtsdatum“.
Obwohl diese Rückfrage nun meine Verwunderung auslöst, reagiere ich gefasst und glänze mit weiterem auswendigem Wissen.
Jetzt nickt sie anerkennend und wirkt ganz zufrieden. Sie lächelt mich an, zieht ein Formular aus einem Ständer rechts und beginnt mit einem Kugelschreiber, der den Aufdruck der Bank trägt, meine Kontonummer in die kleinen Kästchen einzutragen. Kaum ist sie damit fertig, bindet sie mich schon wieder aktiv mit ein. Das ist didaktisch schlau und wahrscheinlich auch zur Kundenbetreuung geübt, davon gehe ich aus.
„Welche Summe darf ich für sie eintragen?“
Tapfer widerstehe ich dem Versuch zu sagen, sie solle am besten die ganze Summe eintragen, die ich ihr zuvor genannt habe. Denn ich bin mir sicher, sie fragt mich das nur, weil sie das bei diesem Vorgang an dieser Stelle immer tut. Es wurde ihr so aufgetragen. Sie hat das sicherlich schon viele Male gemacht und es ist zum Automatismus geworden. Deswegen muss sie nicht mehr nachdenken. Automatismen sind gut, denn sie sorgen dafür, dass nichts vergessen wird. Das gibt Sicherheit und das ist in einer Bank ganz wichtig. Und genau das bestärkt mich jetzt noch in meinem Entschluss, hier mein Geld aufzubewahren.
„Dreihundert“, sage ich stattdessen hilfsbereit und aus vollster Überzeugung. Sie schreibt flugs und schiebt mir zur Unterschrift das Formular und den Kuli hin. Während ich unterschreibe erlaube ich mir ergänzend zu bemerken: „Übrigens, sollte mal jemand vorbeikommen, der auf mein Konto Bargeld einzahlen möchte, auch wenn ich das nicht selbst bin, möchte ich ihnen hiermit herzlich die Erlaubnis erteilen, das trotzdem anzunehmen.“
Das irritiert sie jetzt aber auch nur ganz kurz und sehr freundlich lachend erwidert sie: „Jahaha, das halte ich allerdings für unwahrscheinlich!“
Beide sind wir offensichtlich sehr fröhlich darüber, dass wir uns so gut verstehen und diese tolle Stimmung hält weiter an, während ich mich bedanke und wir uns voneinander verabschieden. Weil sie so nett ist frage ich auch nicht nach, was daran so unwahrscheinlich sei, dass mir jemand Geld zukommen lassen möchte. Ich verlasse ihren Stehschalter und ich glaube sie auch. – Mensch das war einfach unheimlich nett.
Während ich wieder auf die Straße trete und mein Lächeln sich langsam verflüchtigt, kann ich mich des leisen Gefühls nicht mehr erwehren, dass wir irgendwo aneinander vorbeigeredet haben. Plötzlich werde ich fast traurig und überlege ob diese Lanze etwa ganz umsonst zerbrochen wurde?
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